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Fachanwalt/-anwältin – Hintergrund: Spezialisierung bei Anwälten ist gefragt

Mit dem Erwerb des Fachanwaltstitels winken Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen mehr Reputation und ein höheres Gehalt. Insgesamt gibt es 24 sogenannte Fachanwaltschaften – von Agrar- bis Verwaltungsrecht.

Detail, Gesetzbuecher, zu Fachanwalt Leon Wolters aufgenommen in der Kanzlei Beiten Burkhardt in Muenchen, Bayern, am 27. Juni 2016.

Leidenschaftliche Debatten führen, geschliffene Plädoyers halten, sich für die Gerechtigkeit einsetzen: Den Traum von einer Tätigkeit als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin träumen viele angehende Juristen und Juristinnen. Für Christian Dahns, Geschäftsführer der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) in Berlin, drehen sich die Debatten derzeit um eine neue Fachanwaltschaft: Derzeit wird im zuständigen Gremium der BRAK über den möglichen neuen Fachanwalt für Opferrechte diskutiert.
„Ich gehe davon aus, dass der Fachanwalt für Opferrechte kommen wird“, sagt er. Die Fachanwaltschaften bildeten historisch gesehen schon immer die gesellschaftliche Entwicklung ab, und auch bei den Opferrechten habe es in den vergangenen Jahren einige Neuerungen gegeben, die eine eigene Fachanwaltschaft rechtfertigen, glaubt Christian Dahns.

Neueste Fachanwaltschaft: Sportrecht

Foto von Christian Dahns Foto von Christian Dahns

Christian Dahns

Derzeit gibt es in Deutschland 24 Fachanwaltschaften. 1937 wurde die erste Fachanwaltschaft überhaupt, das Steuerrecht, eingeführt. Die neueste Fachanwaltschaft ist das Sportrecht, das seit dem 1. Juli 2019 offiziell besteht. Dazwischen entstanden unter anderem das Migrationsrecht das Familien- und das Strafrecht.

Insgesamt gibt es laut Christian Dahns 165.000 durch die Anwaltskammer zugelassene Rechtsanwält*innen, von denen 45.000 einen oder mehrere Fachanwaltstitel tragen. Somit ist nur rund ein Viertel der Anwält*innen auch Fachanwalt bzw. Fachanwältin: „Das liegt daran, dass in vielen Kleinstädten oder auf dem Land nicht unbedingt eine Spezialisierung nötig ist – da zählen eher die Generalisten“, betont Christian Dahns. Doch in den Städten werden bei immer komplexeren juristischen Fragen eben Spezialisten gebraucht.

Bestimmte Fallzahl ist Voraussetzung

Für Rechtsanwält*innen lohnt sich ein Fachanwaltstitel (aufgrund höherer Reputation und oftmals auch wegen eines um etwa 30 Prozent höheren Gehalts. Ein*e durch die Anwaltskammer zugelassene*r Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin kann innerhalb von drei Jahren einen Fachanwaltstitel beantragen, wenn er*sie 120 Stunden Theorie in seinem*ihrem Fachgebiet bei einem privaten Anbieter vorweisen kann.

Im Steuerrecht kommen noch 40 Stunden in Buchhaltung und Bilanzwesen hinzu, im Insolvenzrecht 60 Stunden betriebswirtschaftliche Grundlagen. Dazu müssen Anwärter*innen eine je nach Fachgebiet bestimmte Anzahl an Fällen in der Praxis bearbeitet haben: Im Steuerrecht genügen dabei 50 Fälle, im Verkehrsrecht sind 160 Fälle nötig. Bei der geforderten Fallzahl orientiert man sich an der Frage, welche Bandbreite spezialisierte Fachanwält*innen abbilden müssen. „Es liegt ja auch im Interesse der Mandanten, dass der angehende Fachanwalt die gesamte Bandbreite seines Gebiets beherrscht“, erklärt Christian Dahns. In manchen Disziplinen wird gefordert, dass eine bestimmte Zahl von Fällen vor Gericht verhandelt wurde.

Wann die drei Jahre beginnen, kann der Anwalt oder die Anwältin selbst entscheiden. „Die Wahrscheinlichkeit, möglichst schnell die nötigen Fälle zu sammeln, ist natürlich in einer größeren Anwaltskanzlei, einer sogenannten Sozietät, am höchsten“, weiß Christian Dahns, der Berufseinsteiger*innen rät, erst einmal dort Erfahrungen zu sammeln, statt sich gleich nach dem Studium selbstständig zu machen. Der Zeitraum für die Fälle kann sich auch bei Mutterschutz, Elternzeit oder besonderer Härte (etwa einer längeren Krankheit) verschieben. „Es gibt aber auch Anwälte, die haben ihre Fälle schon nach einem Jahr zusammen“, sagt Christian Dahns.

Bis zu drei Fachanwaltschaften gleichzeitig

Den Titel Fachanwalt oder Fachanwältin kann nur die zuständige Anwaltskammer verleihen. Rechtsgrundlage für die Fachanwaltschaften ist übrigens die Fachanwaltsordnung (FAO), die nur von gewählten Vertreter*innen der Anwaltskammern geändert werden kann. Theoretisch kann man bis zu drei Fachanwaltstitel tragen. „Doch erst einmal sollte man sich für ein Gebiet entscheiden. Da sollte man sich nicht verzetteln“, rät Christian Dahns. Erfahrungen sammeln könne man etwa durch Praktika. „Dort lernt man auch, worauf es bei den einzelnen Gebieten ankommt. Nicht jeder ist beispielsweise der Typ für harte, oft emotionale Prozesse im Strafrecht. Darüber kann man sich aber schon während des Studiums klar werden“, rät der BRAK Geschäftsführer.

Die meisten Fachanwält*innen werden gebraucht in den klassischen Rechtsgebieten wie dem Arbeitsrecht, dem Strafrecht, dem Steuerrecht sowie dem Miet- und Wohnrecht. „Da wird es immer Bedarf geben“, ist sich Christian Dahns sicher. Auch im Hinblick auf die Beratung von Firmen, etwa im IT-Recht und nicht zuletzt aufgrund der Datenschutzgrundverordnung der Europäischen Union, werden zunehmend Fachanwält*innen gesucht.

Weitere Informationen

BERUFENET

Das Netzwerk für Berufe der Bundesagentur für Arbeit mit über 3.500 ausführlichen Berufsbeschreibungen in Text und Bild (Suchwort: „Fachanwalt/-anwältin)
berufenet.arbeitsagentur.de

Bundesrechtsanwaltskammer

Die Bundesrechtsanwaltskammer ist Teil der anwaltlichen Selbstverwaltung. Als Dachorganisation übt sie keine Kontrollfunktion gegenüber einzelnen Rechtsanwälten aus, sondern ist vielmehr Interessenvertreter der Anwaltschaft insgesamt
brak.de

Juristische Schulung

Juristische Schulung (JuS) ist die führende deutsche Juristen-Ausbildungszeitschrift
rsw.beck.de

Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz

Die Seite bietet allgemeine Informationen rund um die Justizt, sowie Formular-Vordrucke und Informationen, Stellungnahmen zu aktuellen Themen von Fachanwälten und Infos zum Fachanwalt allgemein
bmjv.de

Deutscher Anwalt Verein (DAV)

Der Zusammenschluss von rund 62.000 Rechtsanwälten aus dem In- und Ausland will die Interessen der Anwälte vertreten sowie Informationen vermitteln und fördert die Fort- und Weiterbildung
anwaltverein.de